Beethoven oder Beatles? Rammstein oder Helene Fischer? Wissenschaftler sind sich längst einig: Musik löst unterschiedlichste Emotionen aus und hat Einfluss auf zahlreiche physikalische Vorgänge im Körper: Sie kann trösten oder aufputschen, Atemfrequenz und Blutdruck beeinflussen, verändert den Herzschlag, entspannt Muskeln und wirkt sich sogar auf unseren Hormonhaushalt aus. Musik kann sogar Schmerzen lindern, beruhigt fast so gut wie ein Medikament und hält dazu noch jung.
Der Grund für die heilsamen Kräfte liegt im Gehirn. Dort regt Musik die sogenannte Neuroplastizität an, die Fähigkeit des Gehirns, ein Leben lang seine Strukturen ändern zu können. Wichtig ist das zum Beispiel für Menschen, deren Gehirn durch einen Schlaganfall oder Hirntumor geschädigt wurde. Dank der Neuroplastizität können gesunde Regionen im Gehirn die Funktionen der geschädigten Areale übernehmen. Dabei suchen sich die Nervenzellen und Nervenzellbahnen einfach andere Wege und verbinden sich neu.
„Musik hält fit und macht gesund“, ist sich Prof. Dr. Stefan Kölsch, Neurowissenschaftler und Musikpsychologe an der Universität Bergen in Norwegen sicher. „Wenn wir Musik hören, die wir angenehm finden – und noch mehr, wenn wir uns an Musik beteiligen –, findet im Gehirn ein Feuerwerk von Botenstoffen statt.“
Sogenannte Neurotransmitter, Hormone und andere Botenstoffe wirken sich dabei auf unser Gehirn aus, aber auch auf den Rest unseres Körpers wie z. B. auf unser Stress- und Immunsystem. Das Glückshormon Dopamin, das besonders beim Musizieren ausgeschüttet wird, sei ein wahrer Jungbrunnen für das Gehirn, so Kölsch, der selbst Geige studiert hat. Längst setzt man auf die heilende Kraft der Musik bei Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Depressionen. Tipps gibt er in seinem Buch „Good Vibrations“.
Das Gehirn verarbeitet Musik ähnlich wie Sprache. Wie wir wissen, produzieren Babys und Kleinkinder erst einmal allerhand „musikalische Klänge“, bevor sie sprechen lernen. Dieses „Geblabber“ ist ein wichtiges Element der Sprachentwicklung. „Sprache erfordert Verstehen, Musik funktioniert ganz ohne Worte, unmittelbar über die Gefühlsebene“, erklärt Prof. Dr. Gunter Kreutz, der die gesundheitsfördernden Wirkungen von Musik erforscht. Musik löst z. B. auch ganz spontan und reflexartig emotionale Reaktionen aus. Das konnte man eindrucksvoll bei einer finnisch-schweizerischen Studie sehen, wo 120 Säuglinge und Kleinkinder plötzlich im Rhythmus von Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ fleißig mitstrampelten.
„Die Erfahrung, dass Klänge wirken können, ohne uns etwas Bestimmtes mitzuteilen, begleitet uns über die ganze Lebensspanne“, bestätigt Professor Kreutz der an Universität Oldenburg lehrt. Dieser Zauber der Töne, die Wirkung der Musik und der Harmonien bleibt auch dann erhalten, wenn wir viele andere Fähigkeiten bereits verloren haben: „Dementen Menschen ist es oft noch möglich, sich an Lieder zu erinnern, wenn sie kaum noch auf Sprache zugreifen können“, so Kreutz.
Was unsere Vorfahren wohl schon vor Jahrtausenden gespürt haben, wird von der modernen Medizin langsam wieder „neu entdeckt“. Forscher finden immer mehr Bereiche der Medizin, in der eine gezielte Musiktherapie zur Genesung der Patienten beitragen kann. Inzwischen nimmt Musik eine Schlüsselrolle bei der Behandlung von schwerkranken Menschen ein. Renommierte Krankenhäuser z. B. in den USA behandeln oft gleichzeitig mit Medikamenten und Musik. Mediziner verblüffen dabei die Erfolge, die man sogar bei Patienten auf der Intensivstation, bei Krebspatienten und Patienten mit Hirnleistungsstörungen erzielt. Aber auch wenn man kerngesund ist, sollte man die wohltuende Wirkung der Klänge zwischendurch einfach genießen, und da ist es dann wieder egal, ob Iron Maiden oder Helene Fischer.
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